Dienstag, 13. Oktober 2020
Di., 13. Oktober
Dr. Lohse berichtet: Die 31. Woche der Pandemie in Münsing
Die Berge sind nun oben schon schneebedeckt, die Temperaturen sollen die nächsten Tage dicht an die Nullgradgrenze kommen, Stare fliegen in Geschwadern um das Haus. Angesichts der Klimaerwärmung wandern viele dieser geselligen schnattrigen Burschen ja nicht mehr in den Süden, sondern sparen sich den Weg und überwintern hier. Wenn dann der Frühling kommt, haben sie die Nase, den Schnabel, vorne und besetzen die schönsten Plätze. Die Weitwanderer kommen dann erschöpft aus dem fernen Süden und haben das Nachsehen. Eigentlich nicht fair. Egal wie, auf jeden Fall schnattert es wie wild ums Haus. Es erinnert mich auch daran, die Futterhäuser für die Vögel wieder aufzustellen.

Nachdem Fr. Dr. Özden beim letzten Drive-In letzte Woche recht nass geworden ist, ziehen wir jetzt mit dem Drive In um. Die Münsinger Gemeinde, der gemeindliche Bauhof und die Degerndorfer Feuerwehr sind unsere neuen Gastgeber. Vor der Feuerwehrgarage in Degerndorf ist ein weit herausgezogenes Vordach, das Schutz und Trockenheit bietet. Die neuen Gastgeber sind genauso offen und spontan wie unser bisheriger Unterstützer, der Herr Graf in Münsing. Die Vorbesprechungen sind wie ein Treffen unter alten Bekannten, man verzettelt sich nicht mit Befindlichkeiten, sondern sucht gemeinsam die beste Lösung. Das tut sehr gut, es gibt auch Sicherheit, auf dem richtigen Weg zu sein.
Die zweite Baustelle ist die Schaffung einer Fieberambulanz. Wie sicher schon einmal geschrieben, mache ich mir seit Juli ernste Gedanken um die Versorgung „ganz normal Infekterkrankter“. Wenn der Ansturm so groß ist, wie die letzten Jahre, dann ist das mit den notwendigen Hygienemaßnahmen nicht gut machbar. Erst recht nicht, wenn Corona wieder heftig mitmischen würde.
Aber auch hier tun sich wundersame Türen auf (wenn man dran klopft). Der Landkreis, dessen Vertreter ich nun als Codo gelegentlich treffe und mit denen ich regelmäßig in Schriftkontakt bin, beschlossen, uns Ärzten unter meiner Koordination die Räume für eine Ambulanz zur Verfügung zu stellen. Die Räume sind die ehemalige Covid-19 Praxisräume am Wolfratshauser Krankenhaus. Gut. Jetzt haben wir zentral in Wolfratshausen Räume, Stühle, Liegen und Schränke und ein Telefon. Nun gilt es, Pläne zu schmieden, um dort zu arbeiten. Wer, wann, wie?
Am Freitagabend sitzen dann bei leckeren Sebald`schen Fischkanapees eine gute Handvoll Ärzte aus der Region beisammen und schmieden Pläne, Konzepte und entwickeln Ideen. Gestern setze ich mich an den Laptop, versuche es in Schriftform zu bringen und den KollegInnen zu schicken, damit die es rasch lesen und korrigieren. Nächstes Wochenende soll das fertige Konzept dann an die Hausärzte der Region gehen und zur Mitarbeit aufrufen. Übertrieben?
Zur Zeit tönt ja die Diskussion durch die mediale bundesdeutsche Welt, ob nun eine zweite Welle kommt oder nicht. Ob das Ganze ernst sei oder nicht. Wir haben doch genug „Intensivbetten“ und wenig Tote! Auch der „oberste KV-Arzt“, der Vorsitzende Arzt der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hört sich gerne mit den Worten, dass die Maßnahmen überzogen und falsch seien, so schlimm sei es nicht.

Stimmt. So schlimm ist es nicht.

Aber so schlimm wird es, denn die zweite Welle rollt bereits. Die Wahrheit heute ist die Gleiche wie gestern und vorgestern. Heute 1000 Positive und Ansteckungsfähige, in 14 Tagen 100 Klinikpatienten, in 21 Tagen 40 Intensivpatienten und dann Todesopfer. Der Unterschied ist im Augenblick, und deswegen ist es nicht so schlimm, dass es mehr Junge sind, die angesteckt sind und anstecken. Dann stimmen die Zahlen noch nicht, sondern sind milder. Aber das wandert doch weiter, dann trifft es wieder die Älteren, dann die Alten.
Der aufmerksame Leser der Medien wird bemerken, dass ein Nebeneinander von Meinungen herrscht, dabei aber die Warner vor Systemüberlastung plötzlich wieder mehr Raum bekommen. Selbst Söder, der Politiker, spricht von der realen Gefahr eines erneuten Lockdowns.
So sitzen wir wieder wie im März, machen uns Gedanken und Pläne, „fahren auf Sicht“. Aber meine bisherige Erfahrung lässt mich hoffen, dass wir weiterhin viel mehr Vernünftige, Bedächtige und zusammenhelfende Bürger haben als Verleugner und dass wir diesen Winter gut durchstehen können. Dafür aber müssen wir aber noch a bisserl vorsorgen und Instrumentarien bereitstellen.

Dann werden wir ja sehen, welche Stare sich die besten Plätze holen werden, die Weitgereisten oder die Hiergebliebenen.

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Lockdown-Poster Jetzt gab's sogar einen Plakat-Wettbewerb zum Lockdown. Da es etwas zu gewinnen gibt, hab ich gleich mal mitgemacht. Vielleicht springt ja was raus...



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