Montag, 22. Februar 2021
Mo., 22. Februar 2021
Alles Gute kommt von oben? Wenn man bedenkt, dass gestern in Denver und in Maastricht Flugzeugteile herunterregneten, Menschen verletzten und in Vorgärten liegenblieben, dann könnte man auf die Idee kommen, dass der Spruch nicht immer zutrifft.



Das Bild zeigt den Himmel über Münsing und dem Voralpenland heute morgen um 9:30 Uhr. Schön, gell? Was sehen wir, bzw. was sehen wir nicht: Kondensstreifen, die sich in Vorcoronazeiten massenhaft kreuz und quer über den Himmel zogen. Mittlerweile ist der überraschte Ausruf "Ui, schau, ein Flugzeug" keine Seltenheit mehr. Angesichts dessen ist es dann eher unwahrscheinlich, dass ein verschmurgeltes Boeing-Triebwerk auf einem Münsinger Misthaufen einschlägt.

Noch nicht einmal die SIKO, die famose Münchener Sicherheitskonferenz, hat Streifen am Firmament hinterlassen. Plötzlich war es möglich, dass sich die Teilnehmer, diesmal so prominent wie schon lange nicht mehr, online trafen. Nun wird zwar so getan, als sei dies nur die Vorbereitungsveranstaltung für eine "echte" SIKO gewesen, die irgendwann in Post-Corona-Zeiten stattfinden wird, aber im Grunde hat man gesehen, dass dies das Format für die Zukunft war.
Es wäre interessant, zu wissen, wieviel Kosten dem Steuerzahler damit erpart blieben: Keine Absperrung der Innenstadt, kein monströser Polizeieinsatz, keine Demonstranten mussten eingekesselt, keine Prozesse hinterher geführt werden, keine Luxusübernachtungen für zahllose Staatsgäste mussten bezahlt werden usw.
Ebenso interessant wäre es, zu wissen, wieviel CO2-Emissionen durch den Wegfall der gesamten VIP-Mobilität per Jet sowie gepanzerte und nicht gepanzerte Limousinen vermieden werden konnten.
Wissenschaftler sagen, dass nach der Pandemie vieles nicht mehr so sein wird wie vorher. Bei einigen Sachverhalten muss man darüber nicht traurig sein.

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Dr. Lohse berichtet: Die 49. & 50. Woche der Pandemie in Münsing
Ich habe gerade eine Nistkastenkamera bestellt: Unter unserem Dach, in großer Höhe sitzt auf einer Pfetten oft ein Falke. Morges schwingt er los mit seinem hellen Ruf und erschreckt die Vögel am Vogelhaus. Mich hat er auch erschreckt, unter seinem Stammplatz ist nämlich unsere Terrasse. Winterbedingt war die jetzt länger unbenutzt, was der Kerl ausnutzte, um gefühlte 200 Gewölle hinterzuwerfen und die Terrasse flächendeckend weiß zu bespritzen. Unfreude!! Auf mein Bitten montiert der Nachbar mit großem Hubarm eine gscheide Platte unter dem Falkensitz (sieht jetzt aus wie ein Adlersitz). Die beste aller Frauen und ich schrubben und reinigen, oben der Falke. Da er sich immer noch bei uns trotz Platte sehr wohlfühlt, wir uns auch wieder, sieht das nach einer längeren friedlichen Koexistenz aus. Die möchte ich mit einer Nistkastenkamera beobachten, vielleicht brütet er ja, während wir nach der Fastenzeit auf der Terrasse einen Wein trinken. Es ist so schön warm und frühlingshaft, vor zwei Wochen hätte ich solche Ideen noch nicht gehabt.

Viel ist inzwischen passiert: Meine zweite Impfung im rechten Oberarm habe ich ohne weitere Probleme nach zwei Tagen leichter Schmerzen überstanden. Das ist schon längst Normalität, leider noch nicht für sehr viele. Aber die Impferei kommt nun ganz gut voran: Ab Anfang April sollen die Lieferungen Zahlen von bis zu täglichen tausend Impfdosen erreichen. Das glaube ich zwar erst, wenn ich es sehe, aber schon jetzt kommt immer mehr, die Risikogruppe der höchsten Kategorie ist bald vollständig geimpft.
Noch wird manches mit mobilen Teams geimpft, nun immer mehr über die beiden Impfzentren des Landkreises. Da so viele Menschen in das Wolfratshauser Zentrum zur Impfung kommen, müssen wir die Infektambulanz bald schließen, da zum einen die Räume für die vielen Impfungen gebraucht werden, zum anderen die gesunden Impflinge nicht mit den Erkrankten der Ambulanz in Kontakt kommen sollen. Trotz der vielen Arbeit eigentlich schade, da wir mit der Ambulanz viel Druck von den Arztpraxen genommen hatten. Seit Anfang November bis dann Anfang März werden es über tausend Kranke gewesen sein, die anstelle in die Arztpraxis zu uns in die Ambulanz gekommen sind.
Leider schlagen wir uns mit neuem Ungemach herum: Zu Beginn der Pandemie schien in der Ferne, da hinten am Zeithorizont "die Impfung" als Rettung. Jetzt gibt es "die Impfung". Aber nicht nur eine, sondern es werden immer mehr. Und schon ist es wie bei den Autos, unseren beliebten Statussymbolen: Wer hat das Beste? Durch alle bislang bekannten Impfungen entsteht unzweifelhaft ein sehr guter Schutz vor schwerer Erkrankung, vor dem Tod durch Corona, auch bei den immer häufiger werdenden Mutationen. Vor schwächerer Erkrankung scheint die eine weniger, die andere mehr zu schützen. Bezüglich Nebenwirkungen reicht die Spanne von vielen Toten (Behauptung mancher verquerer Denker) über kurze Impfkrankheitszeit von mehreren Tage bis hin zu keinem Problem. Ich sehe mit Biontech und AstraZeneca relativ ähnliche Nebenwirkungen bei den Geimpften.
Aber nun ist im Land eine seltsame Situation entstanden, die in eine Impfblockade münden kann: Fast alle glauben, dass die einen Impfungen toll seien (Biontech, der tolle 12 Zylinder-Mercedes, Moderna, sicher ein Tesla) und die anderen schlecht (AstraZeneca, eine Scheesn). Und ein Russe (Sputnik V, der Lada) steht auch schon vor der Türe.
Ein echter Unfug, vor tödlichen Folgen schützen alle bisherigen Impfungen sehr effizient. Aber durch die Auffassung "mit diesem britischen AZ-Zeug lasse ich mich nicht impfen" wird das Impfstoffpotential nicht voll ausgeschöpft, was sich auf dritte Welle, Krankheit und Sterben auswirken wird. Manchmal möchte man verzweifeln ? die SZ beschrieb dieser Tage dies Phänomen als "Luxusproblem". Stellen Sie sich mal vor, es regnet nach einem Vulkanausbruch tödliche Aschebrocken und Sie bestehen drauf, nur blaue Schutzhelme zu benutzen, wo für 100 Leute 20 rote und fünf blaue zu Verfügung stehen. Verrückte Welt.
Aber es regnet keine Aschebrocken, höchstens Gewölle vom Falken.

Aber dritte Welle, kommt eine oder nicht? Im Landkreis liegen wir mit dem Inzidenzwert unter dreißig! Allerdings waren die letzten Infektionen, die ich diese Woche diagnostizieren mußte allesamt durch die britische Mutationsvariante verursacht. Bei diesen Patienten hatte es tatsächlich nach einer sehr raschen Übertragung nur eine sehr kurze Inkubationszeit gegeben, bis die Krankheit ausbrach. Etwas bang ist mir, so recht weiß ich nicht, was uns erwartet. Im gesamten Bundesgebiet steigen die Zahlen leider wieder, was hinter dem Getöse um die "Öffnungsdebatte" etwas untergeht.

Es ist ein langer Marathon, aber es wird Frühling, die Krokusse blühen und die Wintererschöpfung fängt an zu weichen. Hoffentlich kommt die Nistkastenkamera bald, dann kann ich sie gleich montieren, da ich diese Woche praxisfrei habe (mit dem Wort Urlaub gehe ich vorsichtig um).

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