Sonntag, 5. April 2020
So., 5. April
Nix 4:45 Uhr! Also, ich muss jetzt doch nicht lebenslänglich jeden Tag um viertel vor fünf aufstehen. Offensichtlich – zumindest geben die aktuellen Infektionszahlen da nichts her – haben einfach zu wenig Leute mitgemacht bei der Anti-Corona-Meditation. Blöd wäre natürlich, wenn 999.998 oder 99 mitgemacht hätten, dann müsste man sich das ewig zum Vorwurf machen, dass man nicht dabei war. Andererseits: weltweit eine Million, das ist ja fast nichts, da kommt's doch nicht auf einen Münsinger mehr oder weniger an. Gemein wäre, wenn, sagen wir, doch eine Milliarde mitmeditiert hätten, und das Virus bliebe davon völlig unbeeindruckt. Aber dann könnte man die Aktion ja einfach wiederholen – schaden tut's ja wahrscheinlich auch nicht.

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Dr. Lohse berichtet (4) Die vierte Woche der Pandemie in Münsing
Palmsonntag in besonderen Zeiten. Nach eiskalten Nächten ein strahlender Sonnenschein, der alles was in der Erde verborgen gefroren hat, herauslockt. Die Vögel rufen mit voller Kehle den Frühling aus, die Straßen sind leer. Zwar brausen immer wieder kleine Trupps mit sehr sportlichen Radlern über die Straßen, die Nachbarin wagelt ihr Kind in der Sonne, aber still ist es geworden. Das Land hält die Luft an.
In unserem Landkreis liegt die Zahl der Infizierten bei etwa 250 Personen. Die schwer Kranken können allesamt angemessen betreut werden.



Unser Drive-In in Münsing, durch Zeitungsartikel bekannt geworden, ist nun ein fester Bestandteil des Katastrophenplanes in Bayern. Das hat den Vorteil, dass wir aus der zentralen Beschaffung des Bundes- Landes und Landratsamts gleich nach den Krankenhäusern in oberer Priorität mit Schutzausrüstung liegen. So werde ich auch auf den Landratsamts-Laster aufmerksam. Vor zehn Tagen bekomme ich – in der abendlichen Entspannungsphase, einen amtlichen Anruf, um 20:42 Uhr: „Katastrophenschutz – Sie haben Material bestellt“. Zwar fällt mir keinerlei Bestellung ein, aber man lernt ja schnell dazu und sagt immer erst „Ja, dringend“. Akribisch wird nun meine Wunschliste (20 Atemschutzmasken FFP2, Schutzanzüge etc.) erfasst, geklärt, ob ich einen oder zwei Kanister mit je vier Liter Desinfektionsmittel brauche. Natürlich zwei Kanister. Am Ende des erfreulichen Gespräches allerdings kommt eine Wende: „sehr gut, aber wir haben nichts.“ Es ist ein Laster zum Landratsamt unterwegs – von der Zentrale – ich hätte mich rund um die Uhr am Telefon bereit zu halten. Zwei Tage später teilt mir das Landratsamt mit, dass ich nun Material bekäme, da nämlich ein Laster unterwegs sei, von der Zentrale. Wenn der da sei, würden meine Nöte berücksichtigt. Der Lasterfahrer war offensichtlich ortsunkundig. Acht Tage nach der Abfahrt kommt er an. Ein Kleinlaster. Im Landkreis gibt es zwei Diagnostikschwerpunkte, in Tölz und in Münsing. Neugierig fahre ich unverzüglich nach Bad Tölz, um dringend benötigte Schutzausrüstung zu holen.

Was mich wirklich tief beeindruckt, ist, was dieses Landratsamt auf die Beine stellt. Draußen merkt man nichts. Aber es wurde durch einen Erlass des Innenministers die ärztliche Versorgung verändert, das Landratsamt hat mit einem so genannten Versorgungsarzt sehr hohe Machtbefugnisse bekommen. Ein ärztlicher Hausbesuchsdienst für Covid-19 Erkrankte ist nun eingerichtet, um die Hausarztpraxen und Kliniken zu entlasten und die Möglichkeit zu nutzen, Erkrankte zuhause zu betreuen. Eine Vielzahl an Maßnahmen, mit Bedacht und Konsequenz. Respekt!
Ich komme mit einem Karton Schutzmaterial in die Praxis zurück, was zeigt, dass der Laster entweder sehr klein war, oder dass er drei Viertel seiner Ladung unterwegs verloren hat.
Wenn jemand in den nächsten Wochen auf der Straße zwischen München und Bad Tölz einen Laster sieht, der sich verfährt oder eine Panne hat, bitte helft ihm!

Im Karton sind auch hübsche grüne Häubchen zum Schutz der Haare. So entsteht mein erstes Selfie, da wir uns im Team regelmäßig über wichtige Entwicklungen gegenseitig informieren.

Am Ende der vierten Woche dürfen wir hoffen, dass die erste Welle der Epidemie nicht zum flächenhaften Ausbruch geführt hat. Sehr schnelle Kommunikation und das hohe Verantwortungsbewusstsein der Betroffenen hat geholfen, dass von unseren Patienten alle am Genesen sind, die Klinikpatientin nach sehr schweren Tagen wieder zuhause ist und dass aus dieser bisherigen Gruppe keine neuen Fälle hinzu gekommen sind.

Angesichts der erschreckenden Geschehnisse in anderen Ländern macht das Hoffnung!!

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Buidl vo dahoam Noch zwei Werke von Dominik und Bruder Jakob. Dominik ist offenbar ähnlicher Meinung zur Quarantäne wie gestern schon sein Bruder, der offenbar schon mal den Osterhasen im Garten gesehen hat.





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