Mittwoch, 8. April 2020
Mi., 8. April


Na dann mal frohe Ostern! Der Opa wird bald 90, die Oma ist gut über 80. Ostern ohne die geliebten Enkel ist so gut wie undenkbar für die beiden. Sollen wir sie zu viert besuchen? Aufgrund der Größe ihrer Wohnung ist es praktisch unmöglich, dort den empfohlenen Sicherheitsabstand von zwei Metern einzuhalten – wir müssten uns auf zwei Zimmer verteilen. Gemütlich! Außerdem will die Oma alle umarmen, zu allermindestens die Enkel.
Option 2: Die beiden kommen zu uns. Aber auch wir verfügen nicht über eine Wohnhalle, die sechs Menschen den abgemessenen Sicherheitsabstand ermöglichen würde, geschweige denn, dass wir einen dafür geeigneten Tisch hätten. Wir könnten uns in den Hof setzen – jeder auf einem Stuhl im entsprechenden Abstand voneinander. Ohne gemeinsamen Tisch. Wir könnten vorher ein Buffet aufbauen an einem zentral angeordneten Tisch, von dem man sich abwechselnd bedient und sich zum Essen auf den eigenen Stuhl zurückzieht. Da der Opa nicht mehr so gut hört, wäre die Unterhaltung relativ laut. Das ginge schon, aber der Transport ist das Problem. Der Opa hat zwar noch ein Auto, mit dem er die Strecke von Geretsried zu uns bewältigen könnte, aber der TÜV, bei dem er einen Fahrtüchtigkeitstest absolviert hat, hat deutlich von weiteren Fahrten abgeraten. Abholen geht aber auch nicht: der Sicherheitsabstand wäre im Auto mitnichten einzuhalten, außerdem wären dann mehr als zwei Personen aus verschiedenen Haushalten im Auto, und das ist verboten.
Okay, sie könnten öffentlich fahren, also erstmal in Geretsried zum Bus laufen, was nicht allzu weit ist, dann in Wolfratshausen umsteigen (vorausgesetzt die Busse fahren einigermaßen synchron), dann Fahrt bis Weipertshausen und von dort Fußmarsch ca. anderthalb Kilometer bis zu uns. Das schaffen sie vielleicht gerade mal so – wie sie den Rückweg hinbekommen sollen, bleibt indes ein Rätsel. Die nächste Frage ist dann: Sind wir eigentlich komplett bescheuert?
Scheiß auf Abstand, scheiß auf den TÜV, scheiß überhaupt auf alles! Die sollen kommen, wir setzen uns grüabig in die Bude und lassen’s krachen. Essen, trinken, quatschen, Gaudi. Und dann fahren die Großeltern beschwingt wieder nach Hause.

Schön wär's! Geht aber nicht, wir werden telefonieren und sie optimistischer Weise auf Pfingsten vertrösten.

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Morgen habe ich Geburtstag Ich verrate das jetzt nicht, weil ich Geschenke will oder Glückwünsche. Dass einer der Bürgermeister zum Gratulieren kommt, dauert dann doch noch ein paar Jahre. Der erste Gratulant ist jedes Jahr Tschibo, meistens schon kurz nach 0:00 Uhr. Der Nächste ist fast immer Opel, dann meine Versicherungsagentur – alle per E-Mail. Ich erhalte aber auch durchaus ein paar private Gratulationen. Im Allgemeinen regen mich Geburtstage nicht mehr besonders auf – ich hatte ja doch schon einige. Aber dieser ist schon ein sehr besonderer, der mir aufgrund der äußeren Umstände bestimmt noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Sicher kennen Sie das auch, dass man genau weiß, wo man bei einschneidenden Geschehnissen gerade war, als man davon erfuhr, oder was man gerade gemacht hat. Bei mir war das der Mauerbau, die Ermordung Kennedys, Stammheim, Tschernobyl, 9/11…und es wird ganz sicher Corona sein. Und wo war ich da? Zu Hause.

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