Samstag, 10. Oktober 2020
Sa., 10. Oktober
Jetzt geht’s mal um Fußball. Nein, nicht um Bundesliga oder Nati, sondern um die Highlights und Niederungen des Jugendfußballs. Nach gut einem halben Jahr, das sich mehr wie ein halbes Jahrhundert anfühlt, kann man seinen Kindern endlich wieder bei Punktspielen zugucken. Die A-Jugend der Münsinger, bei der unser Sohn spielt, kam gut gelaunt aus der Corona-Pause, gewann alle inzwischen drei Spiele und führt die Tabelle souverän an. Die Trainer sind entspannt, die Zuschauer ebenfalls, und es macht Spaß zuzuschauen. Man regt sich auch mal auf, aber es läuft alles recht kultiviert ab, und wenn man das beim Fußball sagen kann, dann ist schon viel gewonnen.
Leider viel weniger kultiviert geht es bei den Spielen der Mädchenmannschaft unserer Tochter zu. Sie spielt in – aus Datenschutzgründen kann ich nicht den richtigen Namen nennen – naja, ich sag mal Prollfratshausen. Einer der beiden Trainer darf inzwischen die Mannschaft nicht mehr bei den Spielen coachen, weil er derart gegen Schiedsrichter sowie gegnerische Teams und Zuschauer gepöbelt hatte, dass es nur mit Glück nicht zu Raufereien kam. Der verbliebene Trainer würde im friedlichen Münsing immer noch grob auffallen, in Prollfratshausen ist das weniger der Fall, denn dort führen sich Zuschauer und Gästetrainer genauso auf.
Das hat nun mehrere Gründe: Zum einen wird in der Kreisliga gespielt, also zwei Stufen höher als die Münsinger A-Jugend. Der Ehrgeiz der Eltern und Betreuer steigt mit in die nächsthöhere Klasse auf. Manche Väter kritisieren nahezu ununterbrochen ihre Töchter, ob die das nun hören oder nicht. Es wirkt, als wären diese Sportsfreunde grundsätzlich sauer darüber, dass sie einer Tochter bei deren Bemühungen zusehen müssen, anstatt einem Sohn, der ihren eigenen ehemaligen fußballerischen Talenten entsprechen würde. Andere wiederum stehen einen Meter von der Auslinie entfernt und reden permanent auf den Schiedsrichter ein und auf alles andere, was sich auf dem Platz bewegt. Bei einem der letzten Spiele war die Tochter eines jener Exemplare derart genervt, dass sie auf den Vater losrannte, ihn stieß, dass er hintenüber fiel, und ihn anschrie, er solle jetzt endlich „sein Maul halten“. Das hielt er dann tatsächlich für ein paar Minuten, aber auf der Heimfahrt war das dann sicher nicht so lustig.
Beim letzten Spiel stand ein Vater neben mir, der ununterbrochen kommentierte, was seiner Ansicht nach auf dem Platz alles schief lief in der Mannschaft seiner Tochter: „Warum geht da keine nach…die kann nicht mal einen Einwurf…renn doch hin…das war doch Abseits…“. Eineinhalb Stunden Selbstgespräch, gerade so laut, das es alle Umstehenden mitbekamen. Ich wich auf eine andere Stelle aus, wo ich zwar nicht so gut sah, aber zumindest den nicht mehr hörte. Schiedsrichter bei dem Spiel war ein schmaler, schüchterner Junge mit langen Haaren, der stoisch und wacker seine Entscheidungen traf, obwohl er ständig von Eltern und Trainern beider Seiten lautstark traktiert wurde – für vermutlich circa 15 Euro Aufwandsentschädigung bei Kälte und Dauerregen eine wahrlich heldenhafte Leistung.
Fazit: Wer sich mal zwei Halbzeiten lang richtig fremdschämen will, dem sei ein Spiel der Mädels in P. empfohlen. Aber ich bin froh, wenn unsere Tochter bald wieder in Münsing spielt.

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