Samstag, 1. Januar 2022
So., 26. Dezember 2021
Dr. Lohse berichtet: Die 93. Woche der Pandemie in Münsing
Weihnachten, zum zweiten Mal im stürmischen Regen bei wahrhaft ?weihnachtlichem? Wetter vor dem Schulhaus in Holzhausen. Die Blaskapelle schlägt sich wacker, Pater Franke versucht unverdrossen zwischen Regenschauern und Windböen im Schutz des Einganges zum Schulhaus Wärme und Zuversicht zu verbreiten. In der Pandemie entdecke ich viele Vorteile des gewohnten präpandemischen Lebens, so zum Beispiel eine warme gemütliche, zum Ruhen einladende Kirche, in der man notfalls auch eine langweilige Predigt gut überstehen könnte. Einer meiner dummen Sprüche lautet, dass nur der Kirchenschlaf besser als der Schulschlaf sei. Bei den Gottesdiensten im Freien gibt es das alles nicht. Da gilt es den Körper im günstigsten Winkel zur Windrichtung zu positionieren, sonst wird es richtig kalt, weil es an der Knopfleiste unter den Mantel bläst-.

Die letzte Woche vor den Feiertagen wird es nun ruhiger in der Praxis, zahlenmäßig. Von den Erkrankungen her gilt es immer wachsam zu bleiben, immer wieder kommen auch scheinbar gesunde Patienten mit geringen Beschwerden, die ernsthafte Krankheiten mit sich tragen. Die Medizin besteht doch aus weitaus mehr, als nur Corona. Am 23.12. gibt es von Patienten gebracht traditionell Weißwürste zu Mittag, am 24.12. verirren sich nur mehr ein paar Notfälle in die Praxis. Um 12 Uhr wird abgesperrt, Feiertag.
Aus dem Fax schnurrt um 12:25 eine Befundmitteilung des Labors, dass zwei der eingeschickten Coronatests positiv mit der hochansteckenden Variante Omikron aus Afrika sind. Ups.

Aufgrund der inneren mahnenden Stimme hatte ich bereits letzte Woche alle Hausärzte des Landkreises zur Erstellung eines Notfallplanes aufgerufen und eine gewisse Alarmstimmung verbreitet.
Dieser Tage bin ich damit beschäftigt, diesen Plan fertig zu stellen und einsatzklar zu machen: Der Landkreis ist nun durch mich in 8 Versorgungsbereiche aufgeteilt worden, in denen alle dort ansässigen Hausärzte als Versorgungsgruppen zusammengefasst sind. Jede dieser Bereiche hat einen Koordinator, der wiederum für mich der Ansprechpartner ist. Innerhalb dieser Bereiche müssen sich die Ärzte gegenseitig vertreten, müssen in einer kritischen Zuspitzung auch Urlaub absagen, bekommen Unterstützung von berenteten Ärzten ? wenn nötig. Einige Dutzend Emails, viele Überlegungen. Seit heute Mittag steht der Notfallplan, gefüllt mit Namen, jeder Bereich hat seine Leitung, jeder weiß Bescheid, alle Ärzte ziehen mit.
Das Gefühl, dass jetzt ganz bald ganz viele akut erkrankte Patienten kommen werden, bedrückt mich doch ziemlich, da war mir die Ausarbeitung dieses Planes und die innere Praxisorganisation sehr wichtig ? Feiertage hin Feiertage her.
Im Kreis der anderen ärztlichen Koordinatoren und Versorgungsärzte in Oberbayern bin ich der Einzige, der derart proaktiv ist. Das verunsichert mich zwar etwas, aber dann ist es mir doch egal, ich folge wie seit zwei Jahren meinem Gefühl und fahre sehr gut damit.

Super erfreulich bei all meinen Berechnungen und Szenarien ist die feste Aussicht auf Entspannung: Wenn die Pandemie nun mit einer derart ansteckenden Version wie der Omikronvariante durch das Land zieht, wird es zwar vorübergehend unkontrollierbar und schlimm. Aber danach sind alle, die über zu wenig Immunität verfügt hatten, durch das Virus infiziert gewesen und können zumindest für eine ganze Zeit nicht mehr als Futter für die Pandemie dienen. Dann sollte das pandemische Feuer verlöschen und nur noch an einigen Stellen nachlodern. Das ist dann der Übergang von einem ?pandemischen? in ein ?endemisches? Geschehen. Klug und glücklich der, der sich durch echte Impfung und Vorsicht schützt. Dem Virus sind nämlich Schwurbelsprüche und gefälschte Zertifikate egal, die Immunitätslücken werden geschlossen werden.

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