Mittwoch, 22. Juni 2022
So., 29. Mai 2022
Dr. Lohse berichtet: Die 114. und 115. Woche der Pandemie in Münsing
Münsing hat wieder Störche! Heute abends fahren meine Frau und ich vom Singen in schönen Kirchen wieder nach Hause, dank der Jahreszeit ist es nun lange hell. Zwischen Degerndorf und Attenkam traue ich meinen Augen nicht, spazieren doch glatt zwei Storche froschsuchend über die frisch gemähte Wiese links der Straße, als wüssten sie nicht, dass sie hier seit vielen Jahren eigentlich ausgestorben sind. Vor Jahren hatten wir in Benediktbeuern ein Nest mit Storchen gesehen, aber hier? Die Welt ist voller Überraschungen.
Leider merke ich beim Singen meine jüngst zurückliegende Corona-Infektion doch noch deutlich: Die Stimme ist belegt, die Bronchien noch nicht ganz frei. Überhaupt hängt mir dieser Infekt schon noch etwas mehr als erhofft nach: Die Energie ist geringer als sonst, nach kleiner körperlicher Belastung ist die Kraft weg, ich bin schneller als sonst außer Atem und die Konzentration, sonst eine meiner Stärken, ist gering. Aber von Woche zu Woche scheint es sich zu normalisieren.
Übermorgen stellen wir das gleiche Thema ? Coronainfekt und seine Folgen ? wissenschaftlich der Presse vor: Unsere Studie im Landkreis scheint der volle Erfolg zu werden: Wir schickten im Februar Fragebögen an die bis im November `21 etwa 9200 Erkrankten, um die vielen persönlichen Erfahrungen dieser betroffenen Bürger wissenschaftlich zu erfassen. Die erste Sensation: Etwa 35 % der Angeschriebenen antworteten, womit der ?Response? alle Erwartungen übertrifft. Heraus kommt, dass etwa ein Sechstel, also 15% aller Infizierten unter langen und vielschichtigen Folgestörungen nach ihrer Infektion leiden. Nachdem die Zahl von 50 000 Infizierten im Landkreis bald erreicht sind, reden wir von etwa 7500 Menschen, die in den Bereichen körperliche und psychische Unversehrtheit Einbußen erlitten haben.
Die Daten liegen bei der Studiengruppe in der Uni Rechts der Isar, eine Doktorandin versucht die vielen Antworten zu einer wissenschaftlichen Gesamtarbeit zusammenzufassen. Auf die genauen Details bin ich nun wirklich gespannt. Die Aussagen sind derart fundiert und repräsentativ, dass bereits das deutsche Ärzteblatt Interesse an einer bundesweiten Veröffentlichung angemeldet hat. Wenn ich bedenke, dass dies eine spontane sommerliche Idee bei einer Besprechung im Landratsam war, die nur realisiert werden konnte, weil wir schon lange und gut zusammengearbeitet hatten und Lust auf so eine Untersuchung hatten!
Genauso, wie unser Fest Anfang Juli nur zustande kommen wird, da ein vertrauensvolles Gemeinschaftsgefühl entstanden ist. Zwar fühlen wir uns immer wieder von ?denen da oben?, also von den Bundes- und Landespolitikern verlassen, müssen harten Gegenwind bis Anfeindungen von Coronaleugnern ertragen, aber intern sind wir echt gut zusammengewachsen. Vielleicht auch wegen dieser Widerstände?
Jetzt liegt das zwar alles aufgrund der erfreulich deeskalierenden Entwicklung im Schlummer, wir haben keine regelmäßigen Besprechungen mehr, aber an einem Strang ziehen wir noch immer. Regeneration, Suche des Normalen, einmal zusammen feiern und sich gegenseitig auf die Schultern klopfen. Das tut nun gut und hilft uns. Wir wissen alle nicht, was noch kommt, womit unsere Gesellschaft geprüft wird. Neue schlimme Pandemiewellen, oder Panikmache ohne wirkliches Drama? Wirtschaftskrisen, politische Krisen, ein europaweiter Krieg?
Unruhige Zeiten. Vor diesem Hintergrund ist es erst recht wichtig, zusammen zu feiern, dieser Gemeinschaft auch ein Gesicht zu verleihen.
Und dass Störche unseren Landstrich als zuhause entdecken, das empfinde ich ein sehr hoffnungsvolles Zeichen, in die Zukunft gerichtet.

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