Mittwoch, 3. März 2021
Mi., 3. März 2021
Dr. Lohse berichtet: Die 51. Woche der Pandemie in Münsing
Gestern erleben wir ein Drama der katzenbesonderen Art. Zehn Meter vom Haus entfernt hockt der weiße Kater und betrachtet unsere Vogelpracht. Kommt der schwarze Kater, der hier immer mal nach dem rechten sieht und erblickt den Weißen ? schlagartig erwachen alle Frühlingsgefühle, beide Schweife plustern sich zu riesigen dicken Bürsten und peitschen. Sie nähern einander langsam, hocken sich in einem Abstand von zwanzig Zentimeter ? Nase zu Nase ? gegenüber und starren sich an, bereit zum Sprung. Da raschelt es dahinter, die Dame erscheint und blickt etwas gelangweilt, aber durchaus höchstlich interessiert auf das Duell der beiden Burschen. Welcher Ritter gewinnt?
Die beiden Kater beschießen sich telepathisch und durchbohren einander mit Blicken. Nach zehn Minuten des Starrens zieht sich der Weiße vorsichtig zurück, schleicht im Rückwärtsgang, dreht sich schließlich um und strebt unserer Hecke zu, fünf Meter weiter links. Dann kommt die ultimative Provokation: Vor den Augen der wählerischen schönen Katzendame, vor den glutheißen Augen des Konkurrenten markiert er voll in die Hecke. Die Stimmung kocht über ? der Schwarze springt auf, geht zum Angriff, der Weiße weicht aus um die Hecke rechts herum, der Schwarze zielstrebig an den linken Rand der Hecke und wartet, dass der Weiße um die Ecke kommt. Er kommt, beide erstarren erneut. Die Schöne fühlt sich vernachlässigt, kommt näher, um den Kampf besser zu verfolgen.
Erneute fünf Minuten des telepathischen Augenringkampfes in 20, dann 15, dann 10 Zentimeter Abstand. Lautes Jaulen und Maunzen, Katzenbeschimpfung und Provokation. Der Abstand geht auf null, in einem Urknall verschmelzen die beiden, Haarbüschel fliegen, Beine zappeln , Schwänze peitschen. Geschlagen schleicht der Weiße schließlich davon, der Schwarze wirft einen Siegerblick in die Runde, die Schöne zieht sich zurück. In der Arena liegen viele schwarze und weiße Haare, die Vögel zwitschern begeistert.

Mit meinem Urlaub, das ist so eine Sache: Die Zeit, die durch ?praxisfrei? entsteht, wird zum großen Teil von der Aufgabe als Codo, als ärztlicher Koordinator in Sachen Pandemie geschluckt. Besprechungen im Landratsamt, Videokonferenzen, Nachdenken, Lesen neuer Verordnungen und Emails schreiben, Dinge, die mir früher völlig fern lagen, füllen meinen Urlaub. Am Ende steht aber ein gutes Paket von erreichten Zielen, dabei das Wichtigste, die Einrichtung des HBDI: Immobile Patienten, also die Bettlägrigen und Schwachen im Landkreis, die das Haus nicht verlassen können, können nicht in die Impfzentren kommen. Hier besteht die Hoffnung, dass diese Menschen eines Tages von den Hausärzten geimpft werden. Da ich aber sehe, dass das noch mindestens 6-10 Wochen dauern wird, bauen wir ein ambulantes Team mit eigenem Fahrzeug, eigener EDV und drei Personen auf, die Hausbesuche zum Impfen machen. Der HBDI (Hausbesuchsdienst Impfen) ist unser Ding, Landrat, Verwaltung und ich als Codo wollen das, also machen wir das. Erst muss die Anmeldestruktur geschaffen werden, die Öffentlichkeitsarbeit aktiviert werden, das konkrete Impfen machbar gemacht werden. Wir, der Leiter des Katastrophenschutzes und ich, der Codo haben es geschafft, dazu kommt ganz neu eine Dame aus dem LRA, die zu diesem Projekt abgeordnet ist, und uns tatkräftig unterstützt (Anmeldungen sammeln, ordnen?).
Jetzt sammeln wir Anmeldungen, stellen Routen zusammen und fahren los ? wenn Impfstoff da ist. Leider wurde für nächste und übernächste Woche wieder eine Impfstoff-Flaute angekündigt.
Als nächstes Urlaubsprojekt die Stilllegung der Infektambulanz. Das Impfzentrum platzt aus allen Nähten, oft kommt nun doch eine beträchtliche Lieferung der verschiedenen Impfstoffe. Durch die vielen vielen Menschen könnte es nun zu Kontakten zwischen Kandidaten für das Impfzentrum und Patienten der Infektambulanz kommen, was absolut nicht passieren darf. Also haben wir die Räume ausgeräumt und Platz für das Impfzentrum geschaffen. Und als drittes Urlaubsprojekt bin ich in der langfristigen Vorausplanung der Impfaktionen bei den Hausärzten. Viel politische Vorarbeit, Studium der Vorschriften, alles klassische Urlaubslektüre.

Schon ist er rum, der Urlaub. Gott sei Dank mit ein paar schönen kleine Wanderungen, Fische für den Weiher bestellt, aber leider noch keine Nistkastenkamera montiert ? die ist noch nicht gekommen. Morgens geht es wieder weiter in der Praxis.

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Montag, 22. Februar 2021
Mo., 22. Februar 2021
Alles Gute kommt von oben? Wenn man bedenkt, dass gestern in Denver und in Maastricht Flugzeugteile herunterregneten, Menschen verletzten und in Vorgärten liegenblieben, dann könnte man auf die Idee kommen, dass der Spruch nicht immer zutrifft.



Das Bild zeigt den Himmel über Münsing und dem Voralpenland heute morgen um 9:30 Uhr. Schön, gell? Was sehen wir, bzw. was sehen wir nicht: Kondensstreifen, die sich in Vorcoronazeiten massenhaft kreuz und quer über den Himmel zogen. Mittlerweile ist der überraschte Ausruf "Ui, schau, ein Flugzeug" keine Seltenheit mehr. Angesichts dessen ist es dann eher unwahrscheinlich, dass ein verschmurgeltes Boeing-Triebwerk auf einem Münsinger Misthaufen einschlägt.

Noch nicht einmal die SIKO, die famose Münchener Sicherheitskonferenz, hat Streifen am Firmament hinterlassen. Plötzlich war es möglich, dass sich die Teilnehmer, diesmal so prominent wie schon lange nicht mehr, online trafen. Nun wird zwar so getan, als sei dies nur die Vorbereitungsveranstaltung für eine "echte" SIKO gewesen, die irgendwann in Post-Corona-Zeiten stattfinden wird, aber im Grunde hat man gesehen, dass dies das Format für die Zukunft war.
Es wäre interessant, zu wissen, wieviel Kosten dem Steuerzahler damit erpart blieben: Keine Absperrung der Innenstadt, kein monströser Polizeieinsatz, keine Demonstranten mussten eingekesselt, keine Prozesse hinterher geführt werden, keine Luxusübernachtungen für zahllose Staatsgäste mussten bezahlt werden usw.
Ebenso interessant wäre es, zu wissen, wieviel CO2-Emissionen durch den Wegfall der gesamten VIP-Mobilität per Jet sowie gepanzerte und nicht gepanzerte Limousinen vermieden werden konnten.
Wissenschaftler sagen, dass nach der Pandemie vieles nicht mehr so sein wird wie vorher. Bei einigen Sachverhalten muss man darüber nicht traurig sein.

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Dr. Lohse berichtet: Die 49. & 50. Woche der Pandemie in Münsing
Ich habe gerade eine Nistkastenkamera bestellt: Unter unserem Dach, in großer Höhe sitzt auf einer Pfetten oft ein Falke. Morges schwingt er los mit seinem hellen Ruf und erschreckt die Vögel am Vogelhaus. Mich hat er auch erschreckt, unter seinem Stammplatz ist nämlich unsere Terrasse. Winterbedingt war die jetzt länger unbenutzt, was der Kerl ausnutzte, um gefühlte 200 Gewölle hinterzuwerfen und die Terrasse flächendeckend weiß zu bespritzen. Unfreude!! Auf mein Bitten montiert der Nachbar mit großem Hubarm eine gscheide Platte unter dem Falkensitz (sieht jetzt aus wie ein Adlersitz). Die beste aller Frauen und ich schrubben und reinigen, oben der Falke. Da er sich immer noch bei uns trotz Platte sehr wohlfühlt, wir uns auch wieder, sieht das nach einer längeren friedlichen Koexistenz aus. Die möchte ich mit einer Nistkastenkamera beobachten, vielleicht brütet er ja, während wir nach der Fastenzeit auf der Terrasse einen Wein trinken. Es ist so schön warm und frühlingshaft, vor zwei Wochen hätte ich solche Ideen noch nicht gehabt.

Viel ist inzwischen passiert: Meine zweite Impfung im rechten Oberarm habe ich ohne weitere Probleme nach zwei Tagen leichter Schmerzen überstanden. Das ist schon längst Normalität, leider noch nicht für sehr viele. Aber die Impferei kommt nun ganz gut voran: Ab Anfang April sollen die Lieferungen Zahlen von bis zu täglichen tausend Impfdosen erreichen. Das glaube ich zwar erst, wenn ich es sehe, aber schon jetzt kommt immer mehr, die Risikogruppe der höchsten Kategorie ist bald vollständig geimpft.
Noch wird manches mit mobilen Teams geimpft, nun immer mehr über die beiden Impfzentren des Landkreises. Da so viele Menschen in das Wolfratshauser Zentrum zur Impfung kommen, müssen wir die Infektambulanz bald schließen, da zum einen die Räume für die vielen Impfungen gebraucht werden, zum anderen die gesunden Impflinge nicht mit den Erkrankten der Ambulanz in Kontakt kommen sollen. Trotz der vielen Arbeit eigentlich schade, da wir mit der Ambulanz viel Druck von den Arztpraxen genommen hatten. Seit Anfang November bis dann Anfang März werden es über tausend Kranke gewesen sein, die anstelle in die Arztpraxis zu uns in die Ambulanz gekommen sind.
Leider schlagen wir uns mit neuem Ungemach herum: Zu Beginn der Pandemie schien in der Ferne, da hinten am Zeithorizont "die Impfung" als Rettung. Jetzt gibt es "die Impfung". Aber nicht nur eine, sondern es werden immer mehr. Und schon ist es wie bei den Autos, unseren beliebten Statussymbolen: Wer hat das Beste? Durch alle bislang bekannten Impfungen entsteht unzweifelhaft ein sehr guter Schutz vor schwerer Erkrankung, vor dem Tod durch Corona, auch bei den immer häufiger werdenden Mutationen. Vor schwächerer Erkrankung scheint die eine weniger, die andere mehr zu schützen. Bezüglich Nebenwirkungen reicht die Spanne von vielen Toten (Behauptung mancher verquerer Denker) über kurze Impfkrankheitszeit von mehreren Tage bis hin zu keinem Problem. Ich sehe mit Biontech und AstraZeneca relativ ähnliche Nebenwirkungen bei den Geimpften.
Aber nun ist im Land eine seltsame Situation entstanden, die in eine Impfblockade münden kann: Fast alle glauben, dass die einen Impfungen toll seien (Biontech, der tolle 12 Zylinder-Mercedes, Moderna, sicher ein Tesla) und die anderen schlecht (AstraZeneca, eine Scheesn). Und ein Russe (Sputnik V, der Lada) steht auch schon vor der Türe.
Ein echter Unfug, vor tödlichen Folgen schützen alle bisherigen Impfungen sehr effizient. Aber durch die Auffassung "mit diesem britischen AZ-Zeug lasse ich mich nicht impfen" wird das Impfstoffpotential nicht voll ausgeschöpft, was sich auf dritte Welle, Krankheit und Sterben auswirken wird. Manchmal möchte man verzweifeln ? die SZ beschrieb dieser Tage dies Phänomen als "Luxusproblem". Stellen Sie sich mal vor, es regnet nach einem Vulkanausbruch tödliche Aschebrocken und Sie bestehen drauf, nur blaue Schutzhelme zu benutzen, wo für 100 Leute 20 rote und fünf blaue zu Verfügung stehen. Verrückte Welt.
Aber es regnet keine Aschebrocken, höchstens Gewölle vom Falken.

Aber dritte Welle, kommt eine oder nicht? Im Landkreis liegen wir mit dem Inzidenzwert unter dreißig! Allerdings waren die letzten Infektionen, die ich diese Woche diagnostizieren mußte allesamt durch die britische Mutationsvariante verursacht. Bei diesen Patienten hatte es tatsächlich nach einer sehr raschen Übertragung nur eine sehr kurze Inkubationszeit gegeben, bis die Krankheit ausbrach. Etwas bang ist mir, so recht weiß ich nicht, was uns erwartet. Im gesamten Bundesgebiet steigen die Zahlen leider wieder, was hinter dem Getöse um die "Öffnungsdebatte" etwas untergeht.

Es ist ein langer Marathon, aber es wird Frühling, die Krokusse blühen und die Wintererschöpfung fängt an zu weichen. Hoffentlich kommt die Nistkastenkamera bald, dann kann ich sie gleich montieren, da ich diese Woche praxisfrei habe (mit dem Wort Urlaub gehe ich vorsichtig um).

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Donnerstag, 18. Februar 2021
Do., 18. Februar 2021
Töl-Wor unter50! Zum ersten Mal nach langer Zeit ist die Inzidenz in unserem Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen unter 50 gesunken.



Die Regierung hatte bei diesem Wert mal schrittweise Öffnungen des Lockdowns in Aussicht gestellt. Inzwischen hat sie den Wert dafür auf 35 reduziert. Führende Virologen und Epidemiologen wollen lieber einen Wert von 10 abwarten, andere ? ebenso führende ? finden, der Wert müsse bei Null liegen.
Das hat natürlich mit der wesentlich ansteckenderen Virus-Mutante aus England zu tun, die mehr und mehr bei uns hereinschwappt. Da fragt man sich halt schon, wofür die eigentlich diesen seltsamen Brexit gemacht haben.

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