Sonntag, 14. März 2021
So., 14. März 2021
Dr. Lohe berichtet: die 52. Und 53. Woche der Pandemie in Münsing
Jahrestag! Vor einem Jahr wunderte mich über Fritz' Idee, etwas für einen Blog zu schreiben. Blogschreiben, das ist doch was für Junge, etwas komisches Modernes, nichts für mich, den leicht medienmisstrauischen Humanisten? Aber es ist tatsächlich die eine oder andere Seite entstanden, schon erstaunlich. Wenn ich einmal die letzte Seite geschrieben habe, dann bin ich gespannt auf die erste, da ich es mir zum Vorsatz gemacht habe, nie weiter zurück zu blättern als bis zum letzten Eintrag.

Vorgestern habe ich das erste Mal einen Weiher mit Fischen besetzt. Freunde halfen, ein Hänger, bestückt mit Wasserbecken und Sauerstoffvorrat und einZentner Saiblinge und Forellen gingen auf Wanderschaft. Aus der Aumühle an der Isar in einen Weiher in meinem Jagdrevier. Rein zufällig sind sie größer als gedacht, da kann ich die ersten zu Ostern schon wieder herausholen und in die Küche tragen. Ein wunderbares Gefühl, im Wald zu stehen, das Wasser murmeln zu hören, den Fischen zuzusehen und etwas zu frieren? es schneit wieder.



Vorvorgestern schicke "ich" auch das erste Mal unser Impfmobil (siehe Bild) durch das Land. Es klappt alles! Über zwanzig bettlägrige Patienten werden täglich besucht, nach drei Wochen kommt der zweite Besuch durch das Team. Natürlich schicke nicht "ich" das Team übers Land, aber bisserl stolz bin ich schon. In diesem Fall bin tatsächlich ich der Motor und Ideengeber, der allerdings von allen Seiten tolle Unterstützung erfährt. Ein kleiner Wermutstropfen ist die Vernebelung, mit der wir das machen müssen. Es gibt Warnung seitens der Sicherheitsbehörden vor seltsamen Ideen von Impfgegnern, es werden Störaktionen befürchtet, daher wir berichten immer im Nachhinein. Da geht es mir nicht Selbstdarstellung und Pressegewichtle, aber ich finde es beschämend, dass wir diese und andere wirklich helfenden Maßnahmen vor Störaktionen schützen müssen.

Ich schlage zur Feier des Jahrestages der Pandemie in Münsing nun ein Gulasch mit Fakten vor. Wichtig sind ganz frische Zutaten, keine Schlagzeile darf älter als 72 Stunden sein.

Die Zutaten:
- Es finden dieses Wochenende in mehreren Städten Demonstrationen querer Denker statt mit Übertretung von Regeln, Gesetzen und mit Verletzung von 12 Polizeibeamten.

- Die Schulen und andere Jugend-Einrichtungen öffnen, wer Schnupfen hat, braucht einen Schnelltest zum Betreten der Räume. Keiner weiß, wo man die bekommt.

- Die Infektionszahlen steigen deutlich an, die britische Variante des Virus steckt schneller an, ist vielleicht aggressiver. Die ersten Landkreise fallen zurück in Lockdown und Schulschließung.

- Mallorca ist seit heute kein Risikogebiet mehr, mehr als 300 Sonderflüge werden für Osterurlauber eingesetzt.

- Das RKI erwartet in der dritten Welle Inzidenzzahlen zwischen 300 und 500 zu Ostern, mehr als in der zweiten Welle.

- Ab 1. April werden die Hausärzte in den Praxen impfen. Ab 19. April werden die Ärzte in den Praxen impfen. Sachsen setzt Pilotprojekt Impfen beim Hausarzt wegen Impfstoffmangel ab.

- AstraZenecas Impfstoff verursacht Thrombosen, mehrere Länder setzen die Impfungen damit aus. Die europäische Arzneimittelbehörde berichtet, AstraZeneca sei sicher. Die Pharmafirmen liefern sehr viel weniger Impfstoff. Europa wird Impfstoff bald autonom produzieren. Wir werden in den nächsten Wochen einen wahren Impfstofftsunami erleben. Die Impfkapazitäten im Landkreis sind nur zu 50 % ausgeschöpft.

Das lassen wir nun mit etwas Gewürzen (?Deutschland ist Coronamüde?, ?ich mag nicht mehr?) versehen nach kurzem heißen Anbraten eine schlecht geschlafene Nacht lang durchköcheln, auf ganz niedriger Flamme.

Zum Abschmecken brauchen wir viel gesunden Menschenverstand, insbesondere um die Schärfe etwas zu mildern. Manchmal hilft auch Wein (ich koche gerne mit Wein, manchmal tue ich ihn sogar in das Essen ? Zitat unserer sehr gut kochenden Nachbarin). Vor dem Verzehr kommt nun das Wichtigste: Abkühlen lassen. Unbedingt. Die Suppe nie heiß essen!

Meine Aufgabe als koordinierender Arzt, als Codo von Tölz, ist es, entspannt aus diesem Mix aus Zutaten das herauszufinden, was für uns bedeutsam ist, und dann schnell und zielstrebig zu handeln. Ich glaube, das Abkühlen vor dem Verzehr und die dosierte Zugabe von gesundem Menschenverstand ist es, warum es bei uns gut läuft. Wenn ich in meiner Erinnerung krame und zurückgehe auf unser erstes Drive In und das Lernen an der Pandemie, da war das schon genauso.
Vielleicht werde ich nach der Rente Koch. Frische Fische und frisches Wild, Enten und Hasen hätte ich ja schon ? viel bessere Zutaten!

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