Sonntag, 24. Januar 2021
So., 24. Januar
Riesenspass zu Corona-Zeiten: Online shopping! Ich gebe es zu – ich bestelle vieles online, bei Amazon und anderen. Weil ich ein Reparierfreak bin, brauche ich dauernd irgendwelche Ersatzteile, die ich hier nirgends kriege, noch nicht mal in München und schon gar nicht in Wolfratshausen. Die letzten erfolgreichen Reparaturen, die durch Online-Ersatzteile möglich wurden, waren: Küchenmaschine, Staubsauger, 3 x Smartphone, 2 x Laptop, Drucker, Wäschetrockner, Spülmaschine, 1 x Auto, 2 x mal Fahrrad. Das ist bei weitem nicht alles, aber es reicht, um einen Eindruck zu bekommen.
Durch die Corona-Restriktionen kaufen wir jetzt so ziemlich alles online, was es nicht bei Edeka, bei Rewe oder beim Bäcker gibt. Natürlich auch Klamotten. Wenn ich etwas zum Anziehen bestelle, passt das auf Anhieb, sogar Schuhe, aber für die Damen des Hauses muss alles mehrmals hin und her geschickt werden.

Vor einigen Jahren hatte ich mir offline im Isarkaufhaus einen Pullover aus Neuseeland gekauft, und als er mit der Zeit etwas fransig wurde, wollte ich den gleichen nochmal erwerben, aber natürlich gab es den dort nicht mehr. Also Webshop. Ich fand auf einem Aufnäher die Typnummer des Pullovers und gab sie bei Google ein. Ergebnis: Pullover war mehrfach bekannt, aber überall ausverkauft – außer bei einem Shop mit dem Namen www.waldschrat.de, was mein Vertrauen erweckte, denn ein Waldschrat braucht sicher warme Strickware im Winter. Im Shop war tatsächlich mein Pullover abgebildet und dazu noch erstaunlich günstig: 47,66 €. Das erste Mal hatte ich fast das Dreifache bezahlt, also schlug ich zu und bezahlte per Kreditkarte.
Am nächsten Tag kam eine Auftrags- und Zahlungsbestätigung, bei der mir zum Kauf des New Zealand Auckland Pullovers gratuliert wurde. Tags darauf erhielt ich eine Versandbestätigung und eine Trackingnummer zur Sendungsverfolgung – aus Shenzen in China. Als Transporteur war eine Website namens yodel.uk angegeben. Erst Waldschrat dann Jodeln? Ich rief waldschrat.de auf, aber die Website war verschwunden. Also wartete ich und sah immer mal wieder in das Tracking bei Yodel, wo tatsächlich zu lesen war, dass mein Pullover mit dem Flugzeug von Shenzen nach Frankfurt geflogen war und nun dort auf die Zollabfertigung wartete.
Danach hörte ich drei Wochen lang nichts mehr, und auch das Tracking war erloschen. Ich mailte mehrmals an die Kontaktadresse, die immerhin noch in Betrieb zu sein schien. Nach dem dritten Mal meldete sich jemand, der sich als Kundenservice-Roboter vorstellte und erzählte, dass seine Kollegen, also die Menschen, in Urlaub seien und sich danach umgehend mit meiner Angelegenheit befassen würden. Wenige Tage später kam eine erneute Mail – diesmal wohl von einem Menschen – überraschender Weise mit der frohen Kunde, dass mein Paket nun auf dem Weg sei.
Da ich auch noch andere Dinge zu erledigen hatte, beschloss ich, einfach mal abzuwarten. Nach weiteren zwei Wochen legte mir meine Frau ein etwa 15 x 10 x 3 cm großes Päckchen auf den Schreibtisch, das sie aus dem Briefkasten gefischt hatte. Es fühlte sich weich an und war über und über mit Aufklebern voller chinesischer Schriftzeichen versehen. Da sollte mein Pullover drin sein? Vielleicht hatten sie fürs erste nur einen Ärmel geschickt? Vorsichtig arbeitete ich mich mit einem Taschenmesser durch mehrere Schichten Plastikfolie, bis der Inhalt zum Vorschein kam: zwei Paar Socken, laut Label von Gucci, vermutlich aber Billigplagiate, weiß, mit roten bzw. grünen Ringen, wie Tennissocken aus den 80er Jahren. Dazu kein Lieferschein keine Rechnung, noch nicht mal ein Zettel. Postwendend mailte ich an die Chinesen, worauf auch gleich die Anwort eintraf, hier im Original und ungekürzt:

„Dear customer, Sorry to hear that. We sent the item you ordered to you but it seems that you received something wrong, we are so confused. Could you please show us some pictures of the item and package information you received? We will investigate this problem for you, please don't worry! Looking forward to your reply. Regards,“

Ich fotografierte die Socken samt Verpackung und bat um ein Rücksendeformular, um die Socken wieder loszuwerden und vielleicht doch noch an den Pullover zu kommen.



Die Chinesen gingen darauf nicht ein und schlugen einen „Austausch“ vor, ich solle doch einfach die Socken behalten und der, der möglicherweise den Pulli bekommen hatte, solle diesen behalten. 47,66 € für Socken, die man nicht will, hässlich findet, und die obendrein viel zu klein sind, kam mir ausgesprochen teuer vor, und so bestand ich erneut auf der Zusendung eines Formulars für die kostenlose Rücksendung und einen Austausch gegen den Pullover.

In der nächsten Mail hieß es, den Pullover gäbe es gar nicht mehr. Sie könnten mir jedoch andere Produkte aus ihrem „Warehouse“ anbieten, falls ich die Socken zurücksenden würde (We do have some other wonderful and brand new kinds of items available). Ein Formular für kostenlose Rücksendung allerdings würden sie nicht anbieten. Die müsste ich dann schon selbst bezahlen.

Interessehalber ging ich samt Päckchen und Socken zur Post, um zu erfragen, was die Rücksendung kosten würde. Die Postlerin errechnete knackige 44 €.

Ich schrieb zurück, dass ich mein Geld wieder haben wolle, woraufhin die Chinesen schrieben, dass sie mir 39 % des Kaufpreises erstatten würden, falls ich auf meine Kosten zurücksende.

Als ich weiterhin darauf drängte, mir ein Rücksendeformular zu senden und den vollen Kaufpreis zu erstatten, boten sie mir 43 % an.

Ich wies nochmals darauf hin, dass die Falschlieferung ja wohl ihr Fehler war, und ich keine Lust hätte, auch noch für die Rücksendung aufzukommen.

Daraufhin herrschte eine Woche Funkstille, und ich dachte schon, ich würde nie mehr etwas von den chinesischen Waldschraten hören, als die nächste Mail folgenden Inhalts eintraf: Sie hätten bei einer Vorstandssitzung (meeting of the Board!) entschieden, mir 50 % ohne Rücksendung zu erstatten. Ich solle meine Bankverbindung mitteilen. Die hatten also eine Vorstandssitzung einberufen, um über zwei Paar Socken zu beraten. Ich frage mich, wo die Schrate wohl getagt haben – hinter einer glitzernden Hochhausfassade oder doch eher in einer Jurte?

Bevor ich meine Bankdaten übermittelte, wollte ich noch überprüfen, über welches Konto die Zahlung überhaupt abgewickelt worden war. Es erwies sich überraschender Weise, dass das Geld nirgendwo abgebucht worden war, die Chinesen also gar nichts erhalten hatten. Also beschloss ich, es dabei zu belassen und ich hörte nie mehr etwas von ihnen. Immerhin hat meine Tochter nun zwei Paar Retro-Socken, eventuell sogar von Gucci.

***

... link (1 Kommentar)   ... comment