Mittwoch, 22. September 2021
So., 12. Sept. 2021
Dr. Lohse berichtet: Die 78. Woche der Pandemie in Münsing
Der Urlaub ist nun an seinem Ende. Morgens früh um sechs entlässt uns die Fähre aus ihrem tiefen Bauch, im Navi wird ?nach Hause? eingegeben und die Fahrt geht durch Frankreich, die Schweiz und Österreich nach Bayern. Formulare und Papiere, die Pandemie wird nun durch eine Vielzahl von Regelungen derart verwirrt, dass sie vielleicht verzweifelt von selbst aufgibt. Wo in meiner Jugend Visa, Pässe und Ausweise dazu führten, dass die wichtigste Person der Reisetruppe sorgsamer Wächter über eine Tasche mit all diesen wertvollen Dokumenten war, so ist dieses wieder erstanden und die beste aller Ehefrauen sorgt durch präzises Internetstudium für die richtigen Formulare. Jede Grenze ein eigenes. Für Hin- und Rückfahrt. An die Stelle des früher grünen stolzen und vertrauenseinflößenden Reisepasses mit vielen Stempeln aus aller Herren Länder ist nun die Impfbescheinigung getreten. Nichts Vertrauen Einflößendes, sondern ein simples Bladl Papier, an den Ecken nach ein paar Wochen schon angegriffen durch das viele Hantieren, kein Stempel, Siegel oder sonst ein schickes Accessoire . Und eine App, die eh keiner außerhalb der Republik lesen will oder kann. Da lacht ja die Pandemie. Nur in Frankreich ein kurzer Blick auf dieses Smartphoneimpfzertifikat ? die Eintrittskarte in den Gastrobereich einer Raststätte. Da wundern mich die Coronaausbrüche nach ?2-3G-Partys? überhaupt nicht, da jeder so einen Freiheitspass selber basteln kann und meint besonders clever zu sein.
Wieder zuhause riecht es schon nach Herbst. Die Fliegen suchen Zuflucht vor den kalten Nächten, das abendliche Grillen muss früher geplant werden, da es bald schon wieder dunkel wird, die Strickjacke liegt abends bereit.
Und im elektronischen Postfach liegt viel Arbeit.
Vier große Themen warten:
Die Impfzentren werden geschrumpft, teilweise geschlossen. In Tölz machen wir ganz dicht und in Wolfratshausen bleibt eine Basisstation bestehen, die mobile Teams versorgen soll, außerdem einmal in der Woche Impfungen anbieten soll. Gleichzeitig soll aber die Möglichkeit bestehen, innerhalb von vier Wochen die gesamte Infrastruktur wieder aufzublasen und 1000 Impfungen pro Tag zu leisten. Was da in München am Schreibtisch so simpel erdacht wurde, ist nicht so einfach ? da die gesamte Infrastruktur aus Menschen besteht. Wo jetzt neun Monate lang viele Hundert Menschen Lohn und Brot gefunden hatten und gute Arbeit geleistet wurde, soll jetzt erst einmal nichts sein, um vielleicht dann wieder alle zusammen zu rufen. Kosten soll dies aber nichts.
Das zweite Thema hängt mit dem ersten unmittelbar zusammen: Um etwas Ruhe in das ganze emotional überhitzte Impfgeschehen zu bekommen und Impfstoffe nicht verfallen zu lassen, hatte ich schon im Juli die niedergelassenen Ärzte um Impfzurückhaltung gebeten. Wir konnten uns ja auf die Leistungsfähigkeit der Impfzentren verlassen. Nun müssen wir diese Aufgabe übernehmen. Dazu schaffe ich eine Internetplattform, bei der sich der Landkreisbürger Informationen holen kann, wer in seiner Gegend gegen Corona impft. Das Landratsamt übernimmt das Hosting auf seiner Internetseite, nur muss diese Seite gefüttert und dann gepflegt werden.
Die Infektambulanz könnte wieder nötig werden. Zwar stagnieren die Infektionszahlen aktuell im gesamten Bundesgebiet, aber im Landkreis befinden wir uns wieder im erlauchten Kreis der dreistelligen Inzidenzzahlen. Die hohe Politik in ihrer unendlichen Weisheit hat beschlossen, dass die Inzidenzzahlen unwichtiger seien und die Überlastung des Gesundheitssystems das Maß der Dinge werden soll. Erst bei absehbarem Kollaps der Intensivstationen sollen Regeln verschärft werden. Da das Gesundheitssystem aber stets mit größerer Verzögerung in die Pflicht kommt, also wenn ein Infizierter nach 2 Wochen auf Intensiv muss und ? da er jung und reservereich ist ? dort auch lange bleibt, ist dies eine böse intellektuelle Rückwärtsrolle. Zeit wird es, dass die Wahlen rum sind. Zurück zur Infektambulanz: Da es einen ganz erheblichen Arbeitsaufwand bedeutet, möchte ich hier noch etwas abwarten, in welche Richtung sich die Dynamik der Pandemie und der allgemeinen Infekte zeigt. Die Ambulanz hat enorm viele Vorteile, bedeutet halt auch enorm viel Arbeit. Mein stilles Gebet hofft, dass dieser Kelch an uns vorüberzieht, aber meine Skepsis lässt mich alle Vorbereitungen für eine rasche Inbetriebnahme treffen.
Und das vierte Projekt, an dem bin ich nun wirklich selbst schuld, das ist die Untersuchung auf Covid-19 Folgestörungen. Durch eine gewisse Beharrlichkeit steht der runde Tisch in seinen Grundzügen, nun können Absprachen zu den genaueren Inhalten und Arbeitspaketen erfolgen.
Übermorgen, am zweiten Arbeitstag findet im Landratsamt nach kurzer Sommerpause wieder das regelmäßige Koordinationstreffen statt, bei dem über all diese Punkte beraten werden wird. Hoffentlich geht es in der Praxis morgen nicht allzu fulminant nach unserem Urlaub wieder los, sonst ist sie gleich wieder futsch ? die Erholung.

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