Mittwoch, 20. Mai 2020
Mi., 20. Mai
Endlich wieder Baumarkt! Vor einigen Wochen war zu lesen, dass die Schließung von Baumärkten zu vermehrter häuslicher Gewalt beitrage, weshalb man sie in einigen Bundesländern lieber mal offen ließ und in den übrigen möglichst schnell wieder öffnete. Anscheinend dienen Baumärkte dem Aggressionsabbau und mit den gekauften Gerätschaften und Materialien können Männer überschüssige Kräfte auf gewaltlos-befriedigende Weise abbauen.
Da ich ein für die Gemeinde gestaltetes Schild liefern muss, das an einer Hauswand angebracht werden soll, und ich die entsprechenden Befestigungsteile mitliefern soll, hatte ich für diese zuächst eine Bestellung im Internet aufgegeben, wobei als Lieferzeit drei Tage angegeben waren. Als die Sendung nach fünf Tagen nicht eingetroffen war, aktivierte ich die Sendungsverfolgung – und siehe da: die Lieferzeit war auf 18 Tage angewachsen, coronabedingt, wie es hieß.

Ich stornierte den Auftrag und fuhr gestern nach Wolfratshausen zum Baumarkt. Es sollte mein erster Einkauf seit Beginn der Einschränkungen werden, ich war nur einmal bei der Post gewesen. Schließlich bin ich altersmäßig risikobehaftet. Ich setzte also korrekt meine Maske auf und ging zum Eingang, wo mir ein junger Mann einen Einkaufswagen zuschob, dessen Griff er mit Desinfektionsmittel besprühte. Er traf jedoch mit dem Sprühnebel nur die Mitte des Griffholmes, was nicht viel nützt, denn normalerweise fasse ich den rechts und links an. Naja. Also ging ich zur Eisenwaren-Abteilung und hielt in den Gängen Ausschau nach den gesuchten Teilen. Vergebens. An der entsprechenden Infotheke stand kein Berater sondern ein sichtlich genervter Kunde. Ob er schon länger warte, wollte ich wissen. So zehn Minuten, meinte er, und dass er bereits zweimal die Ausruftaste gedrückt habe.
Ich ging also erstmal in die Gartenabteilung, die gefühlt einen halben Kilometer weit weg ist, um Blumentöpfe zu kaufen, unternahm noch einen Abstecher in die Elektroabteilung und ging wieder zu den Eisenwaren. Trotz Maske erkannte ich, dass immer noch der selbe geduldige Kunde dort stand. Ich ging auf einen Mann in grüner Baumarktjacke zu und erklärte ihm, was ich brauchte. Ja, sagt er fröhlich, das gibt’s bei Eisenwaren, gleich da hinten. Da war ich schon, sagte ich, da war nix.



Gehen Sie doch zu dem Kollegen, der kennt sich dort aus, sprach er, und deutete auf einen breiten rotgesichtigen Mann mit Irokesenhaarschnitt, der am Infostand für Toilettenschüsseln und Armaturen etc. saß. Auf meine Frage deutete er schwerfällig auf den Gang, in dem ich schon war. Da hinten neber die Drahtseile, da gibt’s des. Da war ich schon, wandte ich ein. Doch, doch, sagte er, da muaß's sei. Ich ging nochmal zu dem Gang, aber da war nichts, was auch nur ungefähr den gesuchten Befestigungsteilen ähnelte. Kurz darauf erschien der Irokese im Gang, und ich fragte hoffnungsvoll, äh, wo denn nun? Ohne mich anzusehen brummte er etwas in seine Maske und verschwand um die nächste Ecke. Ich suchte noch ein wenig erfolglos herum und trat wieder auf den Hauptgang hinaus. Der Kunde vor der Eisenwaren-Info stand immer noch da, ein weiterer hatte sich dazugesellt. Mittlerweile war vier Mal ausgerufen worden, dass dort ein Mitarbeiter gebraucht würde. Der breite Irokese saß wieder an seiner Kloschüssel-Info. Also da war nichts, sagte ich im Vorbeigehen. Er sah mich finster an, ja mei, sagte er, dann hamma’s halt ned.

Na vielen Dank!

Heute fuhr ich dann zum Baumarkt nach Starnberg. Auf dem Weg zur Eisenwarenabteilung kam bereits ein freundlicher Mann mit normaler Frisur und rotem Baumarkt-Outfit auf mich zu. Ob er mir helfen könne. Er ging mit mir zusammen durch die relevanten Gänge, um gemeinsam zu suchen, und schien am Ende untröstlich, weil sie das Gesuchte nicht im Sortiment hatten. Aber immerhin hatten wir eine freundliche Unterhaltung geführt. Der Kontrast zum Wolfratshauser Baumarkt hätte nicht größer sein können. Ich kenne noch ein paar Leute, die den Starnberger Baumarkt toll finden – eventuell gründe ich einen Fanclub.

Die Befestigungsteile habe ich jetzt allerdings doch wieder im Internet bestellt. Schön, dass es das gibt!

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